Einfach Online: Dynamiken der Radikalisierung online und offline im Vergleich.

28.09.2022, von 09.30 Uhr bis 14.30 Uhr in den Räumlichkeiten der Medical School Berlin, Rüdesheimer Str. 50


 

Wie radikalisieren sich junge Menschen online und offline? Was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Verlaufen Radikalisierungsprozesse online schneller und enthemmen radikale Einstellungen online eher als offline? Inwiefern interagieren die digitale und reale Welt im Hinblick auf Radikalisierungs- und Mobilisierungsprozesse miteinander? Wann führen Propaganda und Mobilisierungsversuche in sozialen Medien zu Gewalthandlungen und wie werden andererseits vielleicht auch reale Ereignisse in sozialen Medien benutzt und gezielt für Mobilisierungsversuche inszeniert?

 

Gemeinsam mit Dr. Julian Junk, dem Leiter der Forschungsgruppe „Radikalisierung“ vom Peace Research Institute Frankfurt und dem Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung möchten wir diese und weitere Fragen mit Ihnen diskutieren und uns dem Spannungsfeld zwischen digitalen und analogen Radikalisierungsprozessen annähern. Zusammen mit anderen Wissenschaftler:innen hat er kürzlich den Band „Inszenieren und Mobilisieren: Rechte und islamistische Akteure digital und analog“ herausgebracht und wird uns einen Einblick in die wichtigsten Erkenntnisse seiner Forschung geben. Neben diesem sozialwissenschaftlichen Blick möchten wir Radikalisierungsprozesse auch aus einer psychodynamisch-pädagogischen Perspektive beleuchten und gemeinsam mit Ihnen darüber ins Gespräch kommen, ob und wenn ja, warum Menschen im Internet so enthemmt auftreten, welchen Sinn online stattfindende Radikalisierungsprozesse erfüllen und inwiefern es Einfluss auf die Handlungsbereitschaft hat, wenn sich Menschen online radikalisieren.

 

Wir laden Sie herzlich ein, mit uns über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Radikalisierung online und offline aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren und Bezüge zu Ihrer und unserer Praxis herzustellen.


Dr. Julian Junk

seit 2019 Leiter der Forschungsgruppe „Radikalisierung“ vom Peace Research Institute Frankfurt, seit 2017 Leiter des Berliner Büros der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie Lehrbeauftragter an der FU Berlin und der Universität Luzern

 

Schwerpunkte:

  • Radikalisierung und politische Gewalt
  • Außen- und Sicherheitspolitik (USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien; Afrikanische Sicherheitsarchitektur)
  • Internationale Organisationen und Organisationsforschung
  • UN Friedensmissionen (u.a. Sudan/Südsudan/Darfur, Kosovo, Bosnien und Osttimor) und humanitäre Interventionen
  • Wissenstransfer und Politikberatung

KURZZUSAMMENFASSUNG DES WORKSHOPS

Im Fachvortrag von Herrn Dr. Julian Junk und der anschließenden Gruppenarbeitsphase und Diskussion wurde deutlich wie komplex und individuell Radikalisierungsverläufe sowohl digital als auch analog sind und daher vielfältige Angebote und Prävenionsansätze benötigt werden. Wenngleich Hinwendungsmotive sehr unterschiedlich sein können, überschneiden sich jedoch immer wieder Aspekte wie akute Lebenskrisen, Unsicherheiten, Unklarheiten, Identitätskonflikte und Wünsche nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Komplexitätsreduktion, die Radikalisierungsprozesse anstoßen oder beschleunigen können.

 

Ein flächendeckendes Monitoring oder die Konzeption von Handreichungen und damit verbundene Wünsche nach Voraussagen sind kaum realisierbar, da es in Radikalisierungsprozessen nur sehr wenige Muster gibt. Prävention muss sich daher möglichst breit und vielfältig aufstellen. Nicht zu unterschätzen sind zudem die Verstärkereffekte des Internets, die radikale oder extremistische Akteur:innen beispielsweise hinsichtlich gesellschaftlicher Krisen ausnutzen. Auch die öffentliche Wahrnehmung von extremistischen Potenzialen, bei denen es sich anders als teils wahrgenommen, immer noch um Randphänomene handelt, wird verstärkt. Wenngleich es nur wenige sind, können die stattfindenden Radikalisierungsprozesse durch Online-Anbindung an Gruppen beschleunigt werden.

 

Hinsichtlich letzterer Problematik sollten Präventionsansätze gefördert werden, die die Bottom-Up Logik des Internets nutzen und vor allem primärpräventiv ausgerichtet sind. Eine Herausforderung sind die hohe Geschwindigkeit und Dynamik von Online-Aktivitäten. Fachkräfte müssen hoch spezialisiert sein, um Inhalte, Symbole, Codes, Trends und Mechanismen von Online-Kommunikation zu antizipieren und flexibel darauf reagieren zu können. Gegennarrative haben sich in diesem Fall als problematisch erwiesen, weil diese bei den jungen Menschen in der Regel nicht ankommen und nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Sinnvoll, aber sehr aufwendig scheint das Aufgreifen und Umgestalten von Formaten und Inhalten zu sein, bestenfalls von Personen, die dem gleichen oder ähnlichen Milieu entstammen.

 

Es braucht weitere Vernetzung und neue Netzwerke im Umgang mit radikalen und extremistischen Online-Aktivitäten. Vor allem braucht es eine synchronisierte Verbindung zwischen Online- und Offline-Prävention, was aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten eine Herausforderung ist. Hierbei sollte hinsichtlich der präventiven Praxis der Aspekt der Nachhaltigkeit im Fokus stehen, da eine fragmentierte Präventionslandschaft dieser Herausforderung nicht gewachsen ist. 

Relevant ist weiterhin die Förderung einer Debatten- und Streitkultur und die Steigerung der Medienkompetenz sowie der stärkere Fokus auf einer Präventionsagenda, die umfassend und frühzeitig ansetzt und in deren Entwicklung Antworten auf das weiterhin bestehende Dilemma Sicherheit versus Prävention gefunden werden.

 

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